Friday, November 11, 2011

Oder: Der Schuppenwurm

"Ellen's Angst" seit 11.11.2011 beim Internationalen Schreibwettbewerb NaNoWriMo:
http://www.nanowrimo.org/en/participants/tomtraveller/novels/ellens-angst-oder-der-schuppenwurm

"Catch your dreams before they slip away."
Rolling Stones, "Rubey Tuesday"

"Ich muss gar nix!"
Nayan Pöppelmann

„The virtues of hospitality, friendship, solidarity, community and intercultural enrichment of travel are being replaced by profits and pleasures of the tourism industry and the consequent oppression and disruption of life.” (One World, „Pilgrims or Tourists“, Kondotha M. George, India)

Der 29jährige Tom Traveller aus Köln begibt sich auf eine abenteuerliche und lange Zeit-Reise zu sich selbst, auf der er die Liebe, das Glück und "die Wahrheit" finden will. Seine Reise beginnt im Himalaya. Tom will hier seine siebenjährige gute Liebes-Beziehung zu Ellen, die er immer mehr liebt und liebt und liebt, einfach nur mal aus einer etwas größeren Entfernung, aus einer für ihn vollkommen neuen Perspektive betrachten. Gelassen. Genußvoll. Lustvoll. Liebevoll. Vielleicht will er auch mal über das Universum, sein bisheriges Leben und seinen Tod meditieren und sowas.

Einige der weiteren handelnden Personen hier kompakt als handlicher sixpack:

1. Rosalinde Rockstroh (35) war Chefsekretärin in einer Kölner Drogeriekette. Sie war! Jetzt ist Rosalinde Rockstroh freigesetzt, frustriert und fertig. Fertig im hier&jetzt. Fuck! Nach fünf gescheiterten Beziehungen immer noch kinderlos. Todunglücklich. Und zuckerkrank. Sie soll fuer ein deutsches Pharmaunternehmen verschiedene Glukometer (Blutzuckermessgeräte) im Himalaya auf verschiedenen Höhen testen. Eigentlich aber ist sie hierher gekommen, um ihrem freudlosen Leben ein Ende zu setzen. Finale! An ihrem vermeintlich letzten Abend geht sie spontan ins „Casino Royale“ in Kathamandu. Sie setzt ihre letzten 300 Dollar munter drauflos. 5, 8, 11, 21, 29. Egal! Immer diese fuenf Zahlen. Immer jeweils zehn Dollar. Scheissegal! - Und sie gewinnt und gewinnt und gewinnt! Scheissfrüh am nächsten Morgen gegen etwa fünf Uhr checkt sie betrunken vor Glück im Hyatt Regency Kathmandu ein und schaut tief hinein ins Universum über dem grossen Stupa von Boudanath. Und sie sieht in diesem unendlichen Augenblick eine lange, helle Sternschnuppe genau durch den sehr engen Gürtel im Sternbild Orion, ihrem Lieblingssternbild, schiessen. Genau über ihr! WHOW! Sie spürt diese unendliche Umarmung des Universums. Mehr geht ja wohl nicht. Hier und jetzt. Rosalinde Rockstroh wird Aygün Kürün-Schnöteköl-Pöppelmann-Schmitz (49), kurz Ay, begegnen. Ay ist Abteilungsleiter fuer Asien eines Bonner Logistikunternehmens. Ay ist dreimal erfolgreich geschieden. Ay hat drei Kinder: Nayan, Gwen und Ellen. Ay lebt getrennt. Ay ist glücklich. - Wie macht er das? Und was sagen seine drei Ex-Frauen und seine drei Kinder dazu? Ay heisst ja eigentlich krass korrekt Aygün Kürün-Schnöteköl-Pöppelmann-Schmitz. Das war ihm aber zu lang. – AY!!

2. Nayan Pöppelmann (18) ist auf der Suche. Und er ist dünn. Ungefaehr einenmetersiebenundachzig lang. „Du bist zu schmächtig für dein Alter“, sagt seine Schwester immer. „Iss was Junge. Das muss weg!“ sagt seine Mutter immer. Nayan hat Pickel im Gesicht. „Ach, nächstes Jahr sind die weg!“ sagt sein Vater... (= Aygün Kürün-Schnöteköl-Pöppelmann-Schmitz (49), Abteilungsleiter eines Bonner Logistikunternehmens. Dreimal geschieden. Drei Kinder. Nayan, Gwen und Brad. Getrennt lebend. Glücklich.) ...immer. Nayan hat ziemlich viele Pickel. Ungewöhnlich grosse Pickel. Nayans Gesicht sieht aus wie ein Streuselkuchen. Pickel auf der Stirn. Auf den Wangen. Am Kinn. Am Hals. Gelegentlich ein besonders rotes, eiteriges Exemplar direkt auf der Nasenspitze. Und auf dem Rücken. Auf dem Rücken glücklicherweise mehr als im Gesicht. Das ist das Gute daran :) die auf dem Rücken sieht man nicht sofort. Nur deshalb war Nayan seit drei Jahren nicht mehr im Schwimmbad in Meggen oder im Rahrbach hinter dem Haus in Welschen Ennest oder in der Lenne bei Altenhundem. Oder im Biggesee zwischen Attendorn und Olpe. Oder in der kristallklaren Listertalsperre. Im Sauerland. „Kommst Du mit zum Schwimmen“?, fragt ihn sein Bruder immer. - „Och, nö“, sagt Nayan dann immer. „Ich kann meine Badehose gerade nicht finden.“ Und immer, wenn Nayan glaubt, das, was er sucht, gerade gefunden zu haben, passiert etwas Unglaubliches. Unglaublich. Nayans Motto ist: „Ich muss gar nichts!“

3. Ellen (26), Meeresbiologin, Toms Freundin

4. Gwen Schmitz (17) nerven die Gedanken an HOL DIR JETZT NEU GRATIS!
Mit ihrem Freund Brad fuehrt sie Dialoge wie diesen hier:

„Liebst Du mich?“

Brad schaut aus dem Fenster der Linie 16 in Koeln auf den Rhein. Nach einer kleinen Pause sagt er:

„Ja. - Ja natürlich. Wie nichts und niemand anderes auf der Welt“.

„An was denkst Du?“

„An nichts. Ich schaue aus dem Fenster“

„Hrrrrr. Man kann nicht an nichts denken!“

„Ich schon.“

Gwen ist 17 und Verkäuferin in einem Kölner Drogeriemarkt. Brad 23 und arbeitet als Lagerverwalter bei einer Spedition in Bonn. Gwen quälen die Gedanken. Ununterbrochen und überall gehen ihr die vielen Dinge durch den Kopf. Wenn sie mit jemandem spricht, im Kino, beim Kochen, im Bett und auch jetzt in der Strassenbahn denkt sie immerzu an…

Pampers, fixis, head&shoulders, wash&go, gilette

oder das Toilettenpapier Happy End. Palettenweise.

„Schau mal. - Der Rhein. - Wie er fliesst.“

...NIVEA speed power Gel, JUMBO pampers active fit, Drei Wetter Taft -, pampers Feuchttücher sensitive babyfresh, palmolive dusche, becel vital, Kerrygold original, Ehrmann almighurt, zott jogolé, melitta café pads Auslese, 18 pads für alle…

5. Brad Kürün (23) ist jetzt schon so entspannt wie sein Vater Ay mit 49 im hier & jetzt. Brad sagt Saetze wie: „Schau mal. Der Rhein. Wie er fliesst.“

6. Der Scheich Al Thani, liberaler Emir von Katar, Bob Dylan, David Whittaker "Buergermeister" der Hippies von San Francisco, Sabina Lietzmann von der F.A.Z., die Koelner TV-Journalistin Andrea Reischies, Kathleen M. Burns von der Washington Post, der Geschäftsführer des Dusit Laguna Hotel Resorts auf Pukhet David Good, Preeda von Preeda's Kitchen, Ruedee Phumphuthavorn Geschichtslehrerin an der Satri Phuket Schule, Sucho Phongsanon Dorflehrer, der Autor Rakkit Rattachumpoth, Chuan Leek Pai Ex-Premierminister von Thailand, der Singapurer Geschäftsmann Ho Chin Wah, King Crimson, der schweizer Chemiker Dr. Albert Hofmann, Timothy Leary, Obi-Wan Kenobi, The Greatful Dead, der US-amerikanische Journalist Charles Perry, Augustus Owsley Stanley III.

Es ist ein ruhiger, kristallklarer und sonniger Novembermorgen, dieser warme 11. November 2011 am eher beschaulichen Flughafen von Kathmandu mit den scharfen Konturen der strahlend weissen Sechs-, Sieben- und Achttausender direkt vor der kleinen Reisegruppe mit gefuehlten wie wirklichen 30 Grad Celsius auf etwa 1.300 Metern ueber dem Meer. Es ist ihr erstes Mal.

“Was?“ - „Wohin?“ - „Mount Everest?“ - „Bist du wahnsinnig?“ - „Das ist doch die Todeszone...!“

So oder so aehnlich muessen die liebenden Worte seiner Freundin Ellen bei ihrem letzten gemeinsamen Fruehstueck in Koeln am Rheinufer geklungen haben. Er erinnert sich gut. Es war ein trueber, verregneter Freitagmorgen Ende Oktober, also gerade einmal vor drei Tagen. Zehn Grad Celsius. Nieselregen. Gefuehlt wie wirklich. Keine Sicht auf Nichts. Nicht einmal auf den Rhein.

Die allerletzte SMS seiner Liebsten liest er an diesem herrlichen Novembermorgen in Kathmandu am Tribhuvan International Airport. In unueberhoerbaren Grossbuchstaben schreibt ihm seine Ellen: „KOMM SOFORT ZURUECK! - BITTE!! - ICH LIEBE DICH!!!“

So viele Ausrufungszeichen hat sie ihm ja noch nie in einer einzigen SMS geschrieben. Er besteigt mit zwoelf aeusserlich unerschrocken wirkenden Abenteurerinnen und Abenteurern die winzige zweimotorige Twin Otter. - „Made in Switzerland“ steht beruhigend und in unuebersehbar grossen Lettern vorne drauf. Dieses mechanische Ding sollte also doch etwa so zuverlaessig funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk. Er ist irritiert ueber Ellens Angst um ihn und schaltet zu seiner und der anderen Fluggaeste Sicherheit das Handy vorsichtshalber aus.

So sind die Vorschriften im internationalen Flugverkehr.

Daran muss auch er sich halten.

Liebe hin oder her.

Es ist wunderschoen. Unter ihnen liegen kleine Siedlungen von jeweils zehn oder zwanzig Ziegelhaeusern auf den 3.000 Meter hohen Huegeln. In die steilen Berghaenge des Vorgebirges sind kunstvoll unzaehlige Terrassen mit maisgelb und reisgruen schimmernden Feldern angelegt. Hier wachsen und gedeihen Mangos, Bananen, Orangen, Zitronen, Aepfel, Moehren, Mais, Reis, Weizen, Hirse, Gurken in allen Groessen und Formen, Auberginen und vieles mehr. Das weitraeumige Kathmandutal ist ein warmes, fruchtbares und immergruenes Tal.

Mit leichtem Ohrensausen, aber schwerem die Ohren betaeubendem und nur durch einen Wattepfropfen etwas gedaempften Fluglaerm der Twin Otter, befinden sich die 12 deutschen Nepal-Abenteurer in dieser Nussschale mit Fluegeln auf dem windigen Weg nach Lukla, 2.800 Meter ueber dem Meer am verheissungsvollen und lange ersehnten Tor zum Mount Everest, dem hoechsten Berg der Welt. Immerhin hat dieses Ding zwei Motoren. Wenn da mal einer ausfaellt ist das ja noch kein Unglueck. Ein Stubenhocker war er ja sowieso noch nie. Das sollte seine Ellen nach sieben gemeinsamen und gluecklichen Jahren eigentlich wissen.

Was hat er nicht schon alles ueber diese extrem kurze Piste gehoert und gelesen.

Von „Hillarys Leuten“ vor vielen Jahrzehnten mit 15 oder 20 Prozent Steigung weniger als 500 Meter kurz einer flachen Sprungschanze aehnelnd in den Berg gehauen. - Wer hat das jemals nachgemessen? - Fest steht: Hier muessen alle durch. Jede Everest Expedition, die von Nepal aus startet. Jede Trekking-Gruppe vom DAV Summit Club, der Bergsteigerschule des Deutschen Alpenvereins, Hauser Exkursionen, Diamir, Djoser- oder Wikinger-Reisen - der gut einwoechige Fussweg von Jiri nach Lukla ist vielen Teilnehmern von Gruppenreisen zu lang - Fest steht allerdings auch: Jeder Pilot hat in Lukla nur einen einzigen Versuch! Ob beim Start oder bei der Landung. Es muss beim ersten Mal klappen.

Cool.

Ein Durchstarten oder gar ein Abbruch des einmal eingeleiteten Landeanfluges ist wegen der Topographie und der Lage der nicht ungefaehrlichen - die Piloten sagen "anspruchsvollen" - und mit weniger als 500 Metern zudem extrem kurzen Start- und Landepiste voellig unmoeglich.

Soviel dazu.

Der immer noch sonnendurchflutete, wolkenlose Himmel Nepals mit Tibet im Norden und Indien im Sueden ist jetzt im November kristallklar und kobaltblau.

Dann kommt er, der spektakulaere und vielbeschriebene Landeanflug auf Lukla, bei dem am 8. Oktober 2008 12 deutsche Touristen einer Reisegruppe toedlich verunglueckten.

Sie fliegen in ein sehr enges Tal, nur wenige hundert Meter breit. An drei Seiten, links, rechts und direkt vor ihnen befinden sich gigantische Felsformationen. Weit unten presst ein schmaler, milchiger Fluss, der von hier oben wie ein Rinnsal wirkt, sein Wasser durch duestere, unwegsame Schluchten.

Die kleine Twin Otter fliegt ploetzlich ein scharfe Rechtskurve. Dann taucht sie wie ein Adler, die Beute fest im Blick im Sturzflug steil nach unten auf diesen kurzen, schmalen Streifen zu. Eine letzte Kurve, eine allerletzte Kurskorrektur und er kramt mit zitternden Haenden sein Handy hervor um doch noch eine allerletzte SMS an seine Ellen in Koeln zu schicken, in der stehen sollte: „ICH LIEBE DICH AUCH! - KUEMMER DICH UM DIE KINDER!! - VERZEIH MIR BITTE!!! - DEIN TOM“

Fuer einen kurzen Moment ist er erleichtert und fuehlt sich schwerelos wie ein Adler. Er sieht dem, was da in den vor ihnen liegenden Sekunden des Landeanflugs auf diese Winzigkeit von Lukla, dem letzten Flughafen vor der Todeszone, auf sie zu kommt, gelassen entgegen. Er ist gefasst, eins mit sich und sieht tief hinunter.

Ins Nichts.

Durch die bullaugenaehnlichen Fenster der Twin Otter (er erinnert sich dunkel: „made in Switzerland“) sieht er viele hundert Meter tief unter ihnen ein unendliches, nur sehr schwer zugaengliches dunkles Tal, das ihn an Shangri - La, den Ort vollkommenen Gluecks erinnert, mit diesem hauchduennen weissen Faden aus Gletscherwasser.

Er guckt bei einer Landung ja immer gerne aus dem Fenster um zu sehen, dass auch alles so ablaeuft wie es bei einer - noch so schwierigen - Landung ablaufen muss: Nase nach unten, Flughafen oder Landepiste anpeilen, Landeklappen raus, erst ein wenig, dann etwas mehr, dann ganz. Trimmen. Allmaehlich langsamer werden, aber nicht zu langsam. Nase nach oben. Nase nach unten.

Dreissig Fuss, zwanzig Fuss, zehn Fuss...,

Es koennen nur noch wenige Sekunden sein bis zum ultimativen „touch down“ und dem hoechstwahrscheinlichen Zerschellen ihrer heftig nach links und rechts, rauf und runter schlingernden Blechkiste. Es sind die unberechenbaren Fallwinde, die dem Piloten zu schaffen machen. Da sieht er im Display: Kein Netz! Auch das noch. Was gaebe er in diesem Augenblick um ein Netz. Ein Netz, in dem er weich und sicher landen koennte wie in Buddhas, Allahs oder Abrahams Schoss.

Er schliesst fest und final die Augen, drueckt sich selber noch einmal die Daumen, schickt ein letztes Stossgebet zu allen, die ihm in diesem Moment einfallen, zu Allah, Benedikt, Buddha, dem Elefantengott Ganesh, Gott Vater, Jesus Christus, der Mutter Maria, Shiva, Vishnu & Woitila und wer ihn sonst noch so alles in dieser aeusserst prekaeren Lage hoeren und behueten koennte. Wenn jemand im Universum vernetzt und jetzt hoffentlich auf Empfang ist, dann doch die!

Er betet und wartet. Betet und wartet. Wartet. Betet, was das Zeug haelt. Ist bereit. Er ist vorbereitet. Auf alles. Alles, was ist. Alles, was kommt: "Oh, bitte gebt mir jetzt ein Netz...!"

In diesem ewigen, unendlichen und nicht enden wollenden Moment denkt er ein letztes Mal in Richtung Pilotenkanzel vor sich hin: „Zieh die Nase hoch, Mann. Nase hoch!“

Tom faellt in eine tiefe Ohnmacht.

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"Happy Landing!" saeuselt On, die huebscheste alles suessen Stewardessen der Singapore Airlines Tom ins Ohr, als sie ihm seinen Platz in der Business Class mit einer leichten Verbeugung, einem perlenden Glas Champagner, einer Praline aus Bruessel und dem mildesten Laecheln der Welt zuweist.

Er betrachtet eine Weile ihren perfekten Koerper unter der eng anliegenden Uniform der Airline waehrend sie seine Ledertasche, die vollstaendig mit historischen Kofferaufklebern des Raffles Hotels Singapore beklebt ist, mit asiatischer Anmut in das Gepaeckfach ueber seinem Sitz schiebt. Wie konnte er in dieser Schokoladenminute ahnen, dass "On Air" wie er die Stewardess spaeter schelmisch nennen wuerde, ihn Sylvester 2001 ins Hotel de Crillon in Paris einladen wuerde. Wie konnte er jetzt wissen, dass dieses Sylvesterfest in Paris sein Leben komplett durcheinanderwirbeln und ihn an den Rand eines tiefen Abgrundes bringen wuerde.

- "You travel a lot?" floetet On ihm ins Ohr waehrend sie seinen Sitz zum Start in eine aufrechte Position bringt. Dabei beruehren drei Finger ihrer rechten Hand leicht seine rechte Schulter und sie schaut ihm tief und lange in die Augen. Tom erwidert ihren Blick. Und laechelt zurueck. Er hat ein gutes Gefuehl im Bauch. Seine guten Kontakte zum Al Thani Clan, der das Scheichtum Katar im Persischen Golf liberal beherrscht, haben ihm einen richtig fetten Auftrag beschert. Tom hat mitgeholfen, den Sender Al Jazeera - Die Insel - aufzubauen und nun mit seinem Koelner Team die herausfordernde Aufgabe uebertragen bekommen, "Dohaland" in der Wueste Katars zu bauen, einen 8 Milliarden Dollar teuren Vergnuegungs- und Freizeitpark mit gewaltigen Wasser- und Schneelandschaften!

"Ellen's Angst" bei NaNoWriMo:
http://www.nanowrimo.org/de/user/184067

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Tom liegt in der Badewanne und denkt nach.

Über das Leben.

Süß ist es.

Er betrachtet seine Füße.


"Du hast schöne, zufriedene Füße", hat Ellen eben noch gesagt. Süß ist sie. Tom hat ihr nicht erzählt, dass ein Kölner Orthopäde seine Fuesse einmal ganz nüchtern mit "Grösse 44, Senk- Platt- und Spreiz" beschrieben hat.

Wenn er nun seine Füße, die links und rechts neben der kalt glänzenden Edelstahlarmatur auf dem Wannenrand ruhen, einer sehr sorgfältigen Prüfung unterzieht, muss er allerdings Ellen recht geben. Seine Füße sind schön!


Ihm gefaellt die schlanke, leicht geschwungene Form mit den ausgeprägten, aber sanften Rundungen der Knöchel und Zehen. Ja, seine Füße, die in den vergangenen Wochen schokoladenbraun geworden sind, signalisieren dem Kopf, der auf dem gegenüberliegenden Wannenrand liegt:


Hey, du bist zufrieden!

Tom hat spekuliert. Tom hat gewonnen. Mit superriskanten Call-Optionen hat er nach einer scheinbar endlos langen Talfahrt des US Dollar spontan auf einen steigenden US Dollar gewettet. Und so kommt es. Er hat seine Call-Optionsscheine vor zwei Wochen gewinnbringend verkauft. Sein Einsatz von 20.000 Dollar ist im handumdrehen mehr als verzehnfacht worden. 200.000 Dollar. Easy money. Wie geil. Wie grell. Wie galaktisch!!

Kasino-Kapitalismus nennt es Ellen.

Tom neigt jetzt ohne besondere Anstrengung den Kopf leicht zur Seite, blinzelt ein wenig, laesst die Augen langsam forschend hin und her wandern und haelt dann ruhig inne. So geniesst er durch den seidenen Schleier seiner starken Kurzsichtigkeit, die den tropischen Badepavillon, in dem er sich befindet, wie mit einem Weichzeichner verfremdet, Ellen’s dunkelbraunen, schlanken Körper hinter der Glasscheibe.

Er hat Ellen in Boom`s Cafe auf Koh Pagnan kennengelernt. Mit ein paar Whisky-Cola und einem dort für seine magische Wirkung einschlägig bekannten Pilzpfannekuchen haben sie sich in einer sternenklaren Vollmondnacht in Stimmung gebracht. Es bereit ihm jetzt großes Vergnügen, sich in dem wohltuenden Gefühl der Erinnerung an eine mystische Spanne Zeit zu baden, die irgendwann auf jener südthailändischen Insel in der Abenddämmerung begonnen und bis zum Morgenrot angedauert hat.

Während das milchige, warme Wasser seinen Körper sanft liebkost, muß Tom daran denken, wie Ellens Füße - die den seinen gleichen - sich unter dem Bambustischchen am Strand mit einer weichen aber gezielten Bewegung nach vorn in den feinen, weißen Sand graben und an die Sekunde, in der ihre Zehenspitzen die Seinen berühren. Später hatten ihre Körper, die vom Alkohol und der magischen Wirkung der Pilze im Lauf der Nacht wie schwerelos geworden waren, den Weg zum Meer gefunden. Die Fischer in den Hütten aus Bambus und Lehm hatten ihr Lachen hören müssen während Ellen und Tom nackt in den nachtschwarzen Ozean hinausgeschwommen waren.

Jetzt, in der Badewanne auf Bali, verdrängt Tom das unangenehme Gefühl der Übelkeit, den leichten Schwindel und die plötzliche Enge in der Kehle, die er kurz nach dem Verzehr des Pfannkuchens verspürt hat und der betörende Zauber jener Nacht faengt ihn wieder ein und durchströmt seinen Körper. Er schliesst die Augen und saugt den Duft der Frau ein, die neben ihm duscht und deren Geruch sich mit dem des Badewassers vermischt.

Tom bildet sich ein, Gerüche sehr genau unterscheiden und selbst winzigste Spuren eines Geruches erkennen zu können. Ein Buch, das ihn fesselt und nachhaltig beeindruckt ist "Das Parfüm".

Tom Traveller erinnert sich, während er sich nun in der Wanne aufrichtet, um nach dem kühlen, süßen Cocktail zu langen, an dieses Buch der Düfte des Lebens und des Todes und daran, dass er, als er es im Nachtzug von Bangkok nach Surat Thani gelesen hat, fasziniert von der Entdeckung gewesen war, daß es möglich ist, durch die bloße Beschreibung eines Geruches diesen wirklich wahrnehmen, ihn richtig riechen zu können! So hatte er eine genaue Vorstellung von dem Gestank der Fischköpfe und dem fauligen Abwasser auf den Märkten Asiens, von dem Duft der Lavendelfelder Südfrankreichs und dem Geruch der Frauen an ihrer Scham bekommen.

In jener Zeit hat er sich oft in die Gerüche seiner Kindheit zurückversetzt und gelernt, die silbrig-schleimigen Forellen aus dem Dorfbach von Welschen Ennest mit kristallklarem, kühlem Wasser, das dahineilt durch ein Bett aus geschliffenen Steinen, weiß und riesig wie prähistorische Eier wieder zu riechen wie auch das frische Heu und die warmen, dampfenden Kühe im Stall der Nachbarn, den Atem seiner Mutter und die Malerfarben seines Vaters.

Er zieht langsam einen Schluck der hellroten alkoholischen Flüssigkeit mit dem Strohalm in den Mund und belaesst ihn dort für eine Weile. Diese Weile reicht aus, den Geschmack von Rum, Curacao, Limonen, Orangen und Ananas zu erkennen und die Schleimhäute des Gaumens damit zu benetzen, ehe Tom das Gemisch in drei kleinen Schlücken in die Speiseröhre entlaesst.

Ellen drückt ihre Nase an die Glaswand, die Dusche und Bad voneinander trennt und sendet einen Kuß Richtung Badewanne, indem sie nun auch ihre geschlossenen Lippen an die Scheibe legt. Dabei berühren ihre Brustspitzen und ein Knie das feuchte Glas.

Tom erwidert ihren Kuß und prostet ihr zu. Er geniesst es, sie so zu betrachten. Ellen ist schlank, fast schon dünn und Meeresbiologin irgendwo in Kiel. Es erregt ihn, sie so hinter der Scheibe zu sehen, und er denkt an ihre erste Nacht im Wasser.

Es ist Vollmond. Tom hat anfangs keine recht überzeugende Erklärung für ein Phänomen, das die thailändischen Fischer (und Kieler Meeresbiologinnen : ) auf eine Algenart während einer bestimmten Meeresströmung, er eher auf die halluzinatorische Wirkung der "magic mushrooms" zurückführte. Als ihre nackten Körper in die dunkle Andaman Sea gleiten, verursacht jede ihrer Bewegungen eine Explosion von Lichterteilchen im Wasser, die wie Aquamarine funkeln, manche auch wie Diamanten oder Fischschuppen, die strahlend aufglühen um nach kurzer Zeit - vielleicht drei, vier Sekunden - wieder zu erlöschen. Milliarden von Wasser-Glühwürmchen, die bei einer Berührung all' die Energie freizugeben scheinen, die in ihnen steckt.

"Siehst Du das auch ?" fragt Ellen ungläubig verwundert und kindlich begeistert zugleich. - "Ja, ich seh' das auch", erwidert Tom, der gerade mit Armen und Beinen, Händen und Füssen eine glitzernde Korona um sich herum aufwirbelt und ein Phänomen von der Art zu sehen glaubt wie es Douglas Adams nicht besser hätte erfinden können: Zahllose fluouriszierende Wasserteilchen spiegeln das helle Mondlicht, die Milchstrasse oder ganz einfach das Universum wider. Es fasziniert Tom derart, dass er darüber beinahe Ellen aus den Augen verloren und es ihm fast - was die Aussergewöhnlichkeit dieses Ereignisses unterstreicht - die Sprache verschlagen hat.

Er hört sich schließlich im Zustand erweiterter Wahrnehmung wie aus einer großen Entfernung "geil...grell...galaktisch!" in die Nacht heraus rufen, während er Ellens Nähe sucht.

So schimmen, tauchen und flimmern beide eine zeitlang nebeneinander, ihre Haut kräuselt sich, und sie lachen und schweigen, verzaubert von der Unendlichkeit des Alls, das ihnen mit jeder ihrer Bewegungen "no limits" spiegelt, im Wasser und auf ihren Körpern, auf denen die Teilchen weiterglühen, bis sie in der warmen Luft trocknen und langsam erloeschen.

Nach Stunden unendlicher Glückseligkeit im salzigen, warmen Wasser, lassen sie sich mit der schwachen Strömung wieder an den Strand spülen. Es muß inzwischen früher Morgen sein. Kein Vogel, kein Ochsenfrosch, kein Gekko stört die Stille, als sich ihre Zehen wieder berühren und Ellens Lippen "komm" sagen. Mit einer kleinen Welle gleitet sie auf ihn.

Das Fünf-Sterne-Resort-Hotel galt unter Kennern als das wertvollste Juwel der Kette. Über 200 Quadratmeter totaler Luxus - pro Gast versteht sich - verteilt auf drei feine, kleine Pavillons aus den edelsten Hölzern der hiesigen Tropenwälder gefertigt und mit erlesenstem Marmor Europas verfeinert und von kreativen australischen Architekten lustvoll und - wie zufällig - vom Reissbrett in die grüne Hügellandschaft mit verschwenderischer Vegetation gestreut. Jeweils 40 der Pavillon-Gruppen ergaben ein Dorf. 170 balinesische Diener sorgten in jedem der vier Dörfer mit präzisem Service rund um die Uhr für exclusiven Komfort in absolut privater Atmosphäre. Ab 500 Mark pro Nacht war man dabei. Man konnte hier Wochen verbringen ohne je einen anderen Gast zu sehen. 80 Gärtner durchstreiften täglich das Gebiet, um der jungen Wildheit des von ihnen gerade erst angepflanzten Dschungels mit Buschmessern und Macheten Einhalt zu gebieten.

Es war feucht und heiß. Neben dem Badebungalow, in dem Tom Traveller soeben im Begriff war, den letzten Schluck "Mai Tai" zu schlürfen, und der Dschungel-Dusche unter freiem Himmel, in der Ellen gerade ihre Moskitostiche zählte, lag der zu jeder Villa gehörende Garten mit Wasserpflanzen, eigenem Pool, Orchideen, Farnen, Bananen, Palmen und einer Sonnenterrasse mit unvergleichichem Blick über die Bucht von Jimbaran, deren blendend weisse Strand, von seicht hereinrollenden Wellen geschaffen und schroffen Kalkfelsen gesäumt, Tom Traveller dazu inspiriert hatte, einen Roman zu schreiben.

Einen Roman also...

Tom hatte sich schnell mit dem Gedanken angefreundet und in den soeben verstrichenen zehn Minuten auch schon ein Konzept entwickelt. Ein Roman sollte es werden über echt fetzige Sachen, über Sex&Drugs&Rock'n'Roll. Auf jeden Fall autobiographisch. Das stellte er sich am einfachsten vor. Vielleicht würde er die Form eines Tagebuches wählen. Wer schrieb Tagebücher? Unzählige Menschen schrieben Tagebücher: Verbrecher, Heilige, Philosophen, junge Mädchen, Politiker und Schwachköpfe, zum Teil aus Eitelkeit, doch auch aus anderen, undurchschaubaren Motiven. Es mußte eine wundervoll beschwichtigende Kraft in den Wörtern liegen, die sie niederschrieben, sonst würden sich wohl kaum soviele Menschen im Umgang mit sich selbst des geschriebenen Wortes bedienen. "Die Tagebücher des Tom Traveller". Das klang gut. - Und über die Liebe. Ja, vor allem eine Liebesgeschichte sollte es werden, eine schöne Geschichte von der Liebe. Das Wort "Geschichte" sollte den Leser oder die Leserin darauf aufmerksam machen, daß - wie sehr die Eintragungen auch den Tatsachen entsprechen mochten - ein Prozeß der freien Erfindung stattfinden sollte.

Bloß...

...Tom hatte keine blasse Ahnung, wie er das alles schaffen sollte. Erstens hatte er in den vergangenen 21 Jahren noch nie ein Tagebuch geführt, und zweitens sah das alles nach verdammt viel Arbeit aus.

Der Gedanke aber, sowas wie einen Roman zu schreiben, begeisterte ihn und wühlte ihn von Grund auf. Er nahm von sich an, daß er mit ausreichenden Gaben der Phantasie und des Ausdrucks ausgestattet war. Schriftsteller. Das war´s. Was machen Schriftsteller? Schriftsteller sind viel unterwegs. Schriftsteller reisen durch die Weltgeschichte und erleben Abenteuer. Die Geschichten spielen in fernen Ländern und sind einfach zu verstehen.

Tom mußte an das Büchlein denken, das er zu seinem zehnten Geburtstag von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. „In unserer Zeit" stand auf dem Umschlag und es enthielt 15 Geschichten. Der grüne Umschlag zeigte einen Indianerkopfschmuck mit großen weißen Adlerfedern. Der Schriftsteller, von dem die Geschichten stammten, hatte, so stand es auf der vorderen Umschlagseite, ein „bewegt abenteuerliches Leben" geführt und hieß Ernest Hemingway.

So wollte er auch schreiben, dachte Tom. Diese Sprache war ihm sehr nahe, sie hatte etwas Ehrliches, Aufrichtiges, Klares, nichts Kompliziertes, keine Schnörkel, nichts von aufgesetztem, dichterischem Prunk. Sie ergab sich direkt aus der Wahrnehmung und klang so elementar, als wäre sie die Sprache der Natur. Hemingway hatte als Reporter mit dem Schreiben begonnen. Aus dem Reporter Hemingway war mit der Zeit der Schriftsteller geworden. Warum sollte es sich da mit Tom Traveller anders verhalten?

Er fragte sich, ob er wohl genügend Einbildungskraft, Beobachtungsgabe und Erkenntnisfähigkeit besäße, um eine solch komplexe Angelegenheit wie einen Roman zustande zu bringen, sorgfältig ausgewählte Wörter zu einem sinnvollen Ganzen zu fügen?

Wörter, erinnerte er sich plötzlich an einen Gedanken Joseph Conrads, waren die erbitterten Feinde der Wirklichkeit.

Wie aber sollte er dann Wirklichkeit wiedergeben?

Es war an der Zeit, den Gedanken mit dem Buch erst einmal beiseite zu legen und heißes Wasser nachlaufen zu lassen, bevor ihn das alles zu sehr beschäftigte. Also legte Tom den Gedanken mit dem Buch erst einmal beiseite und ließ heißes Wasser nachlaufen.

Aaahh!

Hier war er in seinem Element. Dies war sein Ruhepool, den er brauchte wie den Duft der Welt zum Atmen. Hier fand er Inspiration, konnte er denken, schöpfte er neue Kraft. Für ihn war ein heißes Bad in der Wanne keineswegs gedankenlose Energieverschwendung, wie es ihm hin und wieder vorgeworfen wurde, nein, nein, ganz im Gegenteil: in der Wanne tankte er auf, lud er seine Batterien, dachte er.

Ein Bad war also gedankenvolle Energiegewinnung.

Die Badewanne war Tom´s Power Station. Für Tom Traveller war eine Stunde in der Wanne Energiegewinnung von der sanftesten Art überhaupt. Und eine Wannestunde war Wonnestunde und "happy hour" in einem. Wann immer möglich, nahm er ein Bad und entgegnete auf fürsorglich gemeinte Bemerkungen Ellen’s bezüglich des Zustandes seiner Haut gerne:

"Schatz, bist du so lieb und reichst mir bitte mal meinen Säureschutzmantel!".



*

"Stars shining bright above you

night breezes seem to whisper: I love You.

Birds singing in the sycamore tree

dream a little dream of me.

Say nighty-night and kiss me.

Just hold me tight and tell me you' ll miss me.

While I'm alone and blue as can be

dream a little dream of me.

Sweet Dreams till sunbeams find you

sweet dreams that leave all worries behind you

but in your dreams - whatever they'll be:

dream a little dream of me!"

Er faehrt auf der Golden Gate Bridge durch eine dichte Nebelwolke. Er hat einen x-beliebigen der -zig Radiosender eingeschaltet als es passiert: Es ist wie ein Traum, wie für ihn arrangiert, wie ein musikalischer Brückenschlag zwischen 1967 und heute: Im Radio läuft genau in diesem Moment, in dem er die Wolkenwand durchbricht und die Stadt unter blauviolettem kalifornischem Himmel vor ihm liegt, die passende Begrüßungsmusik:

"If you're going to San Francisco

Be sure to wear some flowers in your hair

If you're going to San Francisco

you gonna meet some gentle people there

Gentle people with flowers in their hair"

(aus: San Francisco", Scott McKenzie)

Natürlich hat Nayan Poeppelmann auch Blumen im Haar: Es sind die blauvioletten Blüten einer kalifornischen Heavenly Blue Morning Glory. Die richtige Einstimmung für seine Recherchen in Sachen Flower Power. Er ist in Nordamerika auf der Suche nach den Hippies und was von ihnen übriggeblieben ist. Was waren das für Leute, diese Flower Power People ?

"All across the nation

such a strange vibration

people in motion

there's a whole generation

with a new explanation

people in motion

people in motion"

(aus: "San Francisco", Scott McKenzie)

Was sind das für strange vibrations, die eine ganze Generation in Bewegung gebracht ha-ben? Alles, was er über die Hippies weiß, weiß Nayan Poeppelmann aus zweiter Hand, aus der Zeitung.

Die Reporter, die im Sommer 1967, dem Höhepunkt der amerikanischen Hippie-Bewegung, nach San Francisco kamen, fanden die 75.000 jungen Leute im Golden Gate Park, oder im schillernden Viertel um die Straßen Haight und Ashbury, entweder beängstigend oder amü-sant, auf jeden Fall aber ziemlich verrückt: Die Journalistin Sabina Lietzmann beschreibt 1967 ihre Haight / Ashbury-Eindrücke in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung so:

"Wir sind in eine Hippie-Kommune geraten, in eine Lebens- und Wohngemeinschaft von jun-gen Verächtern der bürgerlichen Gesellschaft. Schlägt man den Batik-Vorhang zurück, der hier als Tür dient, herrscht zunächst Finsternis. Bevor das Auge sich orientieren kann, wer-den Geruchssinn und Gehör berührt. Es riecht nach Weihrauch und anderen betäubenden Räucherhölzern, dazwischen zieht in Schwaden der süßliche Geruch von Marihuana-Ziga-retten heran. Fernöstliches Saitengeklimper zirpt aus der Musikanlage, aber offenbar wird gerade irgendwo Band oder Platte ausgewechselt, denn jetzt dröhnt ohrenbetäubender Rock and Roll heran. Nun nehmen wir auch die Gestalten wahr, die am Boden hocken oder liegen, auf Kissen, Teppichstücken oder auf der blanken Diele. Junge Leute mit Cherubsgesichtern, die von Locken gerahmt sind, bestickte Stirnbänder um den Kopf, Ketten aus dicken Perlen um den Hals und Glöckchen an den Füßen. Ein Knabe hat den nackten Oberkörper mit Blumen bemalt, und ein Paar, dem ein schlafender Säugling vor den Füßen liegt, starrt blicklos glasig vor sich hin, offenbar ´high´ auf einem ´trip´".

Der Stern schreibt 1967 über die Hippies von San Francisco:

"Die Hippies sind Nachfahren jener amerikanischen beatniks, die entdeckt hatten, daß man nicht unbedingt im amerikanischen Lebensstil leben muß, um glücklich zu werden. Sie entzie-hen sich der Tretmühle Arbeite-und-zahle-Steuern so weit wie möglich, weil sie weder brei-teren Straßen für mehr Autos noch größeren Fabriken für bessere Kanonen etwas abgewin-nen können. Sie leben anspruchslos in anspruchslosen Buden, schreiben Gedichte, machen Musik und malen."

Schnell werden die Hippies zu einer anziehenden Jugendbewegung. Immer mehr kids pfeifen auf ein wohlbehütetes bürgerliches Leben in der amerikanischen Wohlstandsgesellschaft, pfeifen auf den gedeckten Tisch ihres Elternhauses, lassen Schule oder Arbeit sausen, packen Kerzen und Räucherstäbchen in ihre Rucksäcke und raffen sich auf zu einem langen trip. Ziel der Jugend Amerikas ist die Westküste, ist San Francisco.

"This following programme is dedicated

to the city and people of San Francisco

who may not know it, but they are beautiful .

And so is their city.

This is a very personal song,

so if some of You cannot understand it,

particulary those of You, who are european residents,

save up all your bread

and fly TRANSLOVE AIRWAYS to San Francisco USA.

- Then maybe you'll understand the song.

It will be worth it.

If not for the sake of this song

but for the sake of Your own peace of mind."

(aus: "San Franciscan Nights", Eric Burdon)

Weiter schreibt der Stern 1967:

"Ihre Bewegung nennen sie ´flower power´ - eine Analogie zu der Negerbewegung ´black power´. Die flower children predigen aber nicht Gewalt, sondern Liebe. ´Make love not war´ ist einer ihrer Slogans. Gelegentlich mischen sie sich unter politische Demonstranten, Atom-waffengegner zum Beispiel, Vietnamkriegsgegner oder unter die amerikanischen Bürgerrecht-ler. Sie schmücken sich mit Blumen und verteilen sie an Passanten und Polizisten. Der Begriff ´Hippie´ entstammt der Sprache schwarzer Jazzmusiker im Amerika der dreißiger Jahre und bedeutete in seiner ursprünglichen Form `hip´ soviel wie ´weise´ und ´erfahren´. Hippies reisen viel - von San Francisco nach London, von London nach Amsterdam, von Amsterdam nach New York, von New York nach San Francisco."

Das ist ein irres Gefühl in so alten Zeitungen zu stöbern, denkt Nayan. Jugendliche wie er lassen sich in den sechziger Jahren die Haare wachsen, hüllen sich in weite Kleider und hängen Ausbildung oder Beruf ersteinmal an den Nagel. Es sind die dropouts, die Aus-steiger. Leute, die die Nase voll haben von zuhause, die ihren eigenen american dream von Freiheit und Abenteuer träumen - und abhauen.

"On a dark desert Highway

cool wind in my hair

warm smell of collitas

rising up to the air.

Up ahead in the distance

I saw a shimmering light

my head is going heavy

and my sight is going down

I had to stop for the night.

There she stood in the doorway

I heard the mission bell

and I was thinking to myself:

this could be heaven

and this could be hell.

Then she lit up a candle

and she showed me the way

therewere voices on the corridor

I thought I heard them say:

Welcome to the Hotel California !"

(aus: "Hotel California", The Eagles)

Nayan Poeppelmann stellt sich die Hippies ziemlich genauso vor, wie die jungen Penner am Kölner Hauptbahnhof oder die freaks aus der Kölner Bauwagensiedlung in ihren wunderschönen, teilsweise sicher selbstgebauten Holzwagen mit Sofas, Tischen, Kuschelecken unter hohen Bäumen im Volksgarten, wo er sie zuletzt gesehen hat: eine wilde, schöne Mischung aus Zigeuner-Platz, Wanderzirkus und Baustelle. 20 bis 30 junge Freaks, Penner, Musiker, Philosophen, Säufer, Junkies, Katzen, Hunde und Ratten leben in ihren Wagen.

Das müssen so Typen wie die Beatniks und Hippies mit genau den Wünschen und Lebensentwürfen der sechziger Jahre sein, denkt er sich. Er hat in Köln vor seinem Trip in die Staaten jemand getroffen, die ein bißchen mehr von den Hippies und Beatniks weiss, als er, die TV-Journalistin Andrea Reischies. Er hat sie interviewt und das hat sie ihm ins Mikrophon erzählt:

"Ich war 1966/67 in den USA, in Kalifornien als Austauschschülerin. Drogen waren natürlich verboten. Klar. Man durfte nicht mit Pfennigabsätzen in die Schule gehen. Man mußte Sandalen anziehen, die hinten 'nen Riemen hatten, damit se nich klap-pern. Wenn man in die Schule kam, dann mußte man stehen, wenn der Lehrer reinkam. Das war bei uns auch schon längere Zeit vorher abgeschafft worden. Und jeden Morgen vor dem Unterricht standen wir alle auf und sagten ´I pledge religion to the flag of the United States of America´ undsoweiter. Alkohol war unter 21 gänzlich verboten.

Rauchen unter 18 verboten. Wenn man erwischt wurde, wurde man drei Tage von der Schule suspendiert. In meiner Schulklasse waren die Jugendlichen alle so um die 16 bis 18. Ich hab' immer gedacht: Mensch irgendwo muß sich doch hier das Leben abspielen! Das kann doch nicht die Schule gewesen sein! Das kann doch nicht dieses Leben zuhause in unserem Häus-chen sein und dem sontäglichen Gottesdienst und war dann zum Beispiel auch mal inner Disco. Das war so'n vielleicht ganz bezeichnendes Erlebnis. Da spielte die „Hot Chocolate Watch Band“ und ich hatte mich riesig drauf gefreut.

Das war 'ne Riesen-Discothek, ja mit Live Musik und mit Tanz und irgendwie so'n Raum, wo man rumsitzen und quatern konnte. Und dann hab' ich sofort bemerkt, daß ringsrum Bullen standen bis an die Zähne bewaffnet und ich mich schon einigermaßen irritiert fühlte - übri-gens, was ich vergessen hab' zu sagen: auch da war diese Disco unterteilt, muß man sich vorstellen, von den Leuten bis 21 und ab 21, weil in dem einen Raum ja kein Alkohol getrunken werden durfte. Eigentlich hätten se jetzt noch die von 18 bis 21 trennen müssen wegen Rauchen, aber das haben sie wohl gelassen.

Jedenfalls in dieser Jugendlichen-Disco mit der Live-Musik standen die Bullen und ich hab' sie gefragt ´warum seid ihr da ?´ und die haben gesagt, ja, es würde eben soviel gekifft und Alkohol getrunken, obwohl es eben verboten wär', daß es jederzeit zu Auseinandersetzungen kommen koennte und sie eben vorbeugenderweise da wären.Diese ganze Gesellschft, so wie ich sie erlebt habe, die muß einfach dazu reizen, was anders zu machen und das ganze zu boykottieren.

Also man muß da einfach Unsinn machen. Das kann man gar nich aushalten! Hätte ich da die ganze Zeit gewohnt, weiß ich nicht, ob ich dann so angepaßt gewesen wäre wie meine Mitschüler oder ob ich nicht auch rebelliert hätte und auch Schule Schule sein lassen und mich nach San Francisco abgesetzt hätte. Keine Ahnung. Und das war damals übrigens auch 'ne Diskussion, ne, ob das so sinnvoll ist, die Schüler jeweils so in ihren Ghettos zu halten. Also das nimmt einem dann einfach auch die Stimmung. Sicherlich provoziert es die Jugendlichen dann erst recht, irgendwie Shit zu rauchen oder so, um zu gucken: wie weit komm' ich damit. Es ist wirklich so ein Unterschied gewesen zwischen dem, was sich da im Zentrum von San Francisco abgespielt hat und sozusagen unserer Vorstadt San Jose, das ist unbeschreiblich! Also ich war öfter da, immer mit meiner Familie allerdings, da haben wir natürlich viel angeguckt, aber sind immer einen großen Bogen um Haight / Ashbury gefahren. Wir sind dann mal heimlich da gewesen und ich hatte das Gefühl, also ich bin irgendwie weg aus diesem puritanischen San Jose und diesem Schulalltag: da waren kleine Cafes und Buchläden und Flugblätter wurden verteilt und da liefen eben wirklich die Hippies rum, beziehungsweise, äh, damals ham wir ja immer noch Beatniks gesagt. Hippies hab' ich mal definiert als die ´ernsthaften Beatniks´. Die wollten eben wirklich ein anderes Leben führen. Das war nicht einfach nur, daß sie sich ein paar Sandalen, die hoch geschnürt waren, angezogen haben, sondern die hatten da auch eben wirklich was vor im Kopf und 'ne andere Philosophie."

"Support the native people

they'll watch out for you

support the latino people

their spirit will be with you !

Support the livin'

in the cities' ghetto

of Central L.A..

Support the farmers.

Why ? Hell ! - They take care of you !

Support the rastas

support the old folks

they'll bring the wisdom along !"

(David Whitaker)

In alten Zeitungen zu stöbern und Leute aus der Zeit zu interviewen, ist ´ne gute Sache, besser ist aber immer noch der eigene Eindruck, denkt sich Nayan. Haight / Ashbury will er sich schon lieber selber mal angucken als sich bloss Geschichten darüber anzuhören. Und da geschieht zum zweiten Mal auf dieser Reise etwas ziemlich Ungewöhnliches: Ein drahtiger Kerl steht plötzlich vor ihm im Hippieviertel von San Francisco und lacht ihn an. Auf seiner dunklen Jacke steht in allen Regenbogenfarben: Beatniks, Hippies, Punks and Skins - a free Rainbow Generation! Er hüpft auf dem Gehweg der Haight Street wieselflink von einem Bein auf's andere. Genauso hat Nayan sich immer Rumpelstilzchen vorgestellt!

"Bist du Franzose ?", fragt er ihn und streckt ihm seine Rechte entgegen.- "Angenehm, Nayan Poeppelmann, angehender Reporter", antwortet er knapp und ein wenig genervt von dieser ewigen Rumhüpferei. -

"Ah, ein Deutscher ! Wie geht's ? Hey, wenn du was über mich lesen willst, dann guck einfach in irgendeine Biographie über Bob Dylan und such´ nach David Whitaker. Yeah, da kannst du lesen wie alles angefangen hat, man."

- Ein hellwacher Mann voll power! - David Whitaker also. Nie gehört. Aber sein Tip mit der Bob-Dylan-Biographie ist gut. Ein bißchen lesen kann nicht schaden. Auf der anderen Straßenseite sieht er auch schon den geeigneten Buchladen. Aber David hüpft ihm in den Weg und stellt sich vor: David Whitaker, 54 Jahre alt, Dropout, Beatnik, Digger, Hippie, "Bürgermeister" von Haight Ashbury - und Poet. Kaum hat er das ausgesprochen, schnappt er sich frech Nayan’s Mikrophon und legt rappend los:

"Support the kids

hip-hoppin', punk-rockin', rappin'.

Support the kids and they'll be right there by your side.

Support the people and they'll support you.

You are so many to oppose the few

(I'm talking about the rich motherfuckers up there).

Feed the people

they'll feed you

like the Diggers

´food not bombs´

encourage one another

support one another

love one another

families, tribes, communities"

I believe in that.

But borders - just a line on their map

let live flourish!

We are brought together for a reason

and that reason is:

we complete one another

like Yin and Yang

old and young

man and woman

Rock 'n' Roll"

(David Whitaker)

Wer ist dieser Mensch ? Er macht Nayan neugierig. Bürgermeister der Hippies ? - Eigentlich genau das, was Nayan Poeppelmann sucht. Vielleicht kann er ihm helfen und ein bißchen erzählen, was vor ein paar Jahrzehnten hier los war und was davon übriggeblieben ist. David Whitaker überlegt nicht lange und sagt sofort zu - aber nicht heute. Er ist auf dem Weg zu einer Demo, um gegen „die Verhaftungen“ zu protestieren. Nayan hat keine Ahnung worum es geht.

"Ich seh dich morgen !", ruft er ihm im Weggehen noch zu. "Hol mich doch bei mir zuhause ab: 984 Valencia, direkt neben dem Glaser-Geschäft, dann zeig' ich dir meine Stadt!" und Rumpelstielzchen verschwindet an der nächsten Kreuzung in der Ashbury Street.

Was hat er da erzählt von wegen Bob Dylan-Biographie und das er auch drin vorkommt? – Nayan ist ein bißchen skeptisch und sein Blick fällt wieder auf den Buchladen gegenüber. Great Expectations - Haight&Ashbury Bookstore steht über der schmalen Holztür. Er ist gespannt. Drinnen fragt er nach irgendeiner Dylan-Biographie. Der Buchhändler, Typ Nickelbrille, lange Haare, dunkler Vollbart, murmelt den Namen Bob Spitz und zeigt auf eines der hohen Regale. Auf einem der Buchrücken liest Nayan in Großbuchstaben DYLAN. Na also. "Bob Dylan - eine Biographie von Bob Spitz". Nayan blättert ein bißchen in dem dicken Wälzer und bleibt auf Seite 93 hängen:

"Eines Abends, es war Mitte März 1960, drängte Gretel Bob Dylan, mit ihr auf die Party einer Schulfreundin zu gehen. Als die beiden dort ankamen war ihnen sofort klar, daß dies der ödeste Ort in der Stadt war. Studenten standen in kleinen Gruppen zusammen und redeten über Chruschtschow, die Pille und den militärisch- industriellen Komplex.

Keine Gitarre weit und breit. Der übliche Haufen intellektueller Quadratköpfe...mit Ausnahme eines quirligen kleinen Burschen mit dem Namen David Whitaker, der durch das Zimmer hüpfte. David Whitaker war ein wirklich ungewöhnlicher Zeitgenosse - ein Energiebündel, wild, ungezähmt. Ein begnadeter Geschichtenerzähler, der stundenlang von seinen Reisen und Abenteuern erzählen konnte.

Sein Vater war Jude, seine Mutter indianischer Abstammung. 1957 hatte es ihn nach San Francisco gezogen, wo er sich den Beatniks anschließen wollte. Beatniks waren die Geschlagenen und Ausgestoßenen, die Beat Generation. Es war eine jugendliche Subkultur, die sich von den damaligen bürgerlichen Normen abwandte. Es war die Protestbewegung der späten 40er Jahre, deren Lebensgefühl vor allem vom Pazifismus geprägt war. Es war eine produktive kulturelle Strömung. Ein Schlüsselwerk ist der Roman ´On the road´ von Jack Kerouac.

Alan Ginsberg war in den 60er Jahren Sprecher dieser Protestbewegung. Die Beatniks begehrten auf gegen das Establishment und suchten Bewußtseinserweiterung durch Drogen und Meditation."

David und Meditation - zwei Welten prallen aufeinander. Aber es ist eindeutig der Typ, den Nayan vor ein paar Minuten auf der Haigt Street getroffen hat. Seine Erwartungen steigen, Great Expectations. Er blättert weiter in der Dylan-Biographie.

"Bob und David wurden unzertrennliche Freunde. Sie hingen jeden Tag gemeinsam irgendwo rum. David der Lehrer und Philosoph, Bob sein ergebener Student. Er erzählte von Marx und Lennon und wurde Bob Dylan’s erster wichtiger Guru. Seine Geheimwaffe war der Samen von ´Heavenly Blue Morning Glory´, der natürliche Grundstoff für LSD. Bob war jungfräulich und wußte nichts! Whitaker drängte ihn, seinen Horizont zu erweitern, nahm ihn mit auf seine erste Demonstration. Gemeinsam erforschten sie die Musik Jimmy Rogers’. Gedichte von Allen Ginsberg verschlangen die beiden regelrecht. Und Bücher. Bücher. Bücher.

Whitaker ist eine Leseratte. Es ging das Gerücht um, daß sein Name auf keiner Ausleihkarte einer Bibliothek fehlte. So fand Bob Dylan den Schlüssel seines eigenen Daseins, eine Lebensphilosophie, die er greifen konnte. Eine alte Ausgabe von Woody Guthries’ ´Bound for Glory´. Bob Dylan hatte seinen Gott gefunden. Guthrie hatte geschrieben, wovon Dylan nur träumte. Tröstende Worte, Ermutigung und Unterstützung für all' die, die mit Geld und Karriere nichts am Hut hatten: die kleinen Leute, Bauern, Malocher, Cowboys, Drifters and Dreamers, Streuner und Träumer. Woody's Lieder waren geradeaus und brachten es auf den Punkt.

Wenn man seiner Musik lauscht, entstehen schöne Bilder vom Leben auf dem Lande, weites, offenes Land „...from California to the New York Island, from the Redwood Forest to the Gulfstream waters...“ Musik machte ihn an. Bob Dylan lebte in dieser Musik, atmete sie ein und aus und merkte nicht einmal, daß David Whitaker ihm seine Freundin Gretel ausspannte und sich in eine heiße Liebesaffaire mit ihr verstrickte.

Es ist der 20. Mai 1960 als sie es ihm beichten: Gretel ist schwanger. Wie konnten Gretel und David so etwas tun? Obwohl seine Beziehung zu Gretel platonisch war, betrachtete Bob sie als seine Freundin, auch wenn sie nie miteinander geschlafen hatten. - Und David! Sein bester Freund! Er fühlte sich betrogen:

"You better talk to her ,buddy

you're her Lover now

everybody that cares

is going up the castle stairs

but I'm not locked in a castle honey

it's true: I just care for your call.

San Francisco at all

I can't even remember El Paso! Uh honey!

You never had to be faithful

I never wantet you to grieve

oh why was it so hard for you?

If you don't wanna be with me:

Just leave!"

(aus: "She´s Your Lover Now", Bob Dylan)

"David Whitaker schien alles zu gelingen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte: er war gebildet, belesen wie kein anderer, konnte sich ausdrücken, war innovativ und arrogant, nahm sich, was er brauchte - aber er war nicht ehrgeizig. Ihm fehlte diese Eigenschaft, die das alles zusammenhalten konnte: Leidenschaft. - Dylan aber brannte vor Leidenschaft. Er war ein leidenschaftlicher Träumer und er träumte von einer Karriere als Poet und Sänger. Und er brauchte es, daß seine Träume wahr würden.

Bob Dylan hatte 1964 damit begonnen, unter dem Einfluß von LSD zu schreiben und es bestand kein Zweifel daran, daß LSD seine Songtexte drastisch verändert hatte. Die halluzinatorischen Eigenschaften dieser bis 1966 legalen Droge eröffneten ihm völlig neue Landschaften der Poesie. Die Qualität seiner Songs veränderte sich, seine Lieder wurden persönlicher, feinfühliger, farbiger, brillianter. Im August 1964 traf Dylan John Lennon und mußte feststellen, daß die Beatles Jungfrauen in Sachen LSD und dope waren. Die Beatles hatten noch nie dope geraucht! Unglaublich - Jungfrauen!

Bob Dylan ließ es sich nicht nehmen, drehte ein paar joints, zeigte Ringo wie man richtig inhalierte und führte die Beatles damit feierlich ins Zeitalter der Drogen ein. - Der Sommer 1967 zog die Aufmerksamkeit weg von Bob Dylan und lenkte das öffentliche Interesse zu einem anderen Kulturphänomen - den Hippies. Amerikas Blumenkinder standen plötzlich im Rampenlicht und ihre Musik war der Rock 'n' Roll.

Zweifellos war dies die Musik des Sommers der Liebe. Musik vom Feinsten. Es war die Glanzzeit des Rock 'n' Roll: The Rolling Stones, das Album ´Sgt. Pepper's Lonely Heart's Club Band´ von den Beatles, The Mamas and the Papas, Jimi Hendrix und Jefferson Air-plaines’ ´Somebody to love´".

Die Blumenkinder essen Love-Burgers, hauchen dem Besucher ein fröhliches drop out, turn in, tune in! entgegen. Zu deutsch frei übersetzt etwa: "Steig’ aus und komm zu uns! Klink dich ein!". Die Hippies versammeln sich im Sommer der Liebe zu Massenkonzerten in den Parks von San Francisco und geben freizügig jedem und jeder zu essen und zu trinken, was sie zuvor im Supermarkt gekauft oder auch einfach so mitgenommen haben.

Drop out, turn in, tune in. Auch hier ist ein Tisch gedeckt und an der frischen Luft schmeckt es sowieso viel besser als bei Papi und Mami! Und nicht nur zum Thanksgiving -Fest holt man hier die Armen und Ausgestoßenen an den Tisch zum Truthahn-Mahl. Hier sind alle eingeladen. Jederzeit. Umsonst und draußen. Einen ganzen Sommer lang. Kommt nach San Francisco! Der Eintritt ist frei! Welcome to the Hotel California. Welcome to The Summer Of Love!

"Welcome to the Hotel California

Such a lovely place

such a lovely face

plenty of room at the Hotel California

any time of the year

you can find it here"

(aus: Hotel California, The Eagles)

Ein Hippie-Komittee mit dem programmatischen Namen Summer of Love sucht im Mai 1967 kostenlose Quartiere für das größte Hippie-Festival, das die Welt je gesehen hat. Das Kommitte sucht außerdem ein geeignetes Gebäude für ein Hippie-Hotel California. Die Free Clinic behandelt tausende von Patenten kostenlos.

Die Diggers kommen mit der kostenlosen Essenverteilung kaum nach. Erwartet wurden ein paar zehntausend Blumenkinder - es kommen 75.000! Die Generation der 15 bis 25jährigen findet die Freiheit, die sie sucht und auch das Abenteuer: Sie ruft die sexuelle Revolution aus und genießt die freie Liebe ausgelassen und splitternackt unter klarem, kalifornischem Himmel.

Es ist wie ein Traum in düsteren Kommunen beim süßen Duft von Räucherstäbchen und psychedelischer Musik. Die einen versuchen, bewußt zu leben und zu genießen, was es zu genießen gibt. Die anderen führen politisches Straßentheater auf, machen sich lustig über die Polizei oder blockieren die Universität von Berkeley mit einem gewaltfreien sit in - und werden von der Polizei verprügelt.

So demonstriert die nordamerikanische Jugend der Mitt-Sechziger spektakulär gegen das Establishment und engagiert sich phantasievoll für gleiche Bürgerrechte und Freie Meinungsäußerung. Oder sie protestiert am Oakland Army Terminal, wo Männer und Munition nach Vietnam ausgeschifft werden, gegen den Vietnamkrieg. Die beiden Zentren der neuen Jugendbewegung sind San Francisco auf der einen und Berkeley auf der anderen Seite der Bay, nur 5 Meilen voneinander entfernt.

Hier ist es das Straßenviertel um Haight- und Ashbury Street, dort ist es das Universitätsgelände, der Campus. Zusammen sind diese beiden Bewegungen schlicht The Movement und beinflussen sich gegenseitig in den Jahren bis 1969, der Zeit der großen Jugendrevolte.

Und das nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika: auch in Asien und Europa sind die vibrations, die Erschütterungen, die kalifornischen Beben zu spüren. Sie beeinflussen das Fühlen, Denken und Handeln einer neuen Generation: LOVE & PEACE ist angesagt.

Es ist eine Generation im Aufbruch, durchaus auf der Suche nach Freiheit und Abenteuer, dem american dream, aber auch mit einer großen Sehnsucht nach einer Alternative zum american way of life der Eltern. California Dreamin' ist angesagt. Die kids träumen den süßen Traum vom harmonischen Miteinander ganz unterschiedlicher Menschen, der sie morgen bis nach Woodstock bringen wird - und übermorgen vielleicht noch viel weiter.

"Oh hey !"

(Augustus Owsley Stanley III.)

"Auch das noch! Es war doch wirklich schon schlimm genug, daß sein Haus durchsucht und sein Labor beschlagnahmt worden war. Warum mußte Owsley ausgerechnet jetzt dafür sorgen, daß es noch mehr Ärger gab?

Am 21. Februar 1965 hatten Beamte der kalifornischen Drogenbehörde ein Haus in Berkeley durchsucht - ein kleines Gebäude, das den Spitznamen ´Die Grüne Fabrik´ trug. Die Drogenfahnder beschuldigten Augustus Owsley Stanley III., ein Methedrin-Labor zu betreiben, beschlagnahmten die gesamte Einrichtung während seiner Abwesenheit und verhafteten einen anwesenden Mitarbeiter.

Spätestens jetzt, wo die Sache in den Akten der Drogenfahnder war, wäre es ratsam gewesen, sich die Haare schneiden zu lassen, sich in einen konservativen Anzug zu zwängen und den unschuldigen Sängerknaben zu spielen.

Aber so war Owsley überhaupt nicht drauf. Im Gegenteil. Beim ersten Verhör erschien der gedrungene Möchte-Gern-Chemiker, Ende zwanzig, so vor der Polizei: kleine Nickelbrille, dunkler Schnäuzer, kleiner Backenbart, lange Koteletten, verwaschene Jeans und schmudde-lige Jacke. Beim nächsten schockte er die Polizisten mit schrillem italienischem Aufzug.

Er wirkte eher wie ein Mafiosi, gefährlich, gereizt und grollend, als unterwürfig und ängstlich wie man es - so wie die Dinge lagen - erwartet hätte.

Die Überraschung war perfekt, als es ihm dann wirklich gelang, alle Vorwürfe gegen ihn glaubhaft zurückzuweisen! Er vertrat nämlich schlicht den Standpunkt, daß ´die Grüne Fabrik´ zwar wie ein Drogen-Labor ausgesehen haben könnte, aber ganz einfach keines war! Noch irgendwelche Fragen? Tatsache war ja schließlich, daß kein einziges Gramm der chemischen Droge Methedrin gefunden worden war. Owsley war wieder ein freier Mann."

Der amerikanische Journalist Charles Perry beschreibt so in seinem Buch "Haight / Ashbury - A History" , wie die Flower Power Bewegung für ihn ganz persönlich angefangen hat. Er und Owsley lebten zusammen in einer WG in Berkeley. In seiner Berkeley-Kummune war Owsley bald `Mr LSD`. Er wurde reich und berühmt. Die Band The Greatful Dead schrieb einen Song über den LSD Millionär. Die Hippies trugen seinen Namen auf ihren Buttons. Er war der „heldenhafte Chemiker", dessen LSD zum weltweiten Qualitätsstandard wurde.

Nayan sitzt wieder bei einer Tasse Tee im Buchladen Great Expectations auf der Haight Street und liest: "Haight / Ashbury - A History". Der Buchhändler erzählt ihm, daß Perry und "ein gewisser Owsley alias Mr. LSD", eine zentrale Figur der Hippie-Kultur mal zusammen in einer Kommune in Berkeley gewohnt. - Weiss Nayan schon. - Dann sucht mir „Nickelbrille" Perry's Nummer aus dem Telefonbuch und er verabredet sich mit ihm. Mit Charles Perry. So einfach geht das! Ihm bleibt noch etwas Zeit, ein paar Seiten zur Vorbereitung zu lesen.

In seiner Berkeley-Kummune wurde dieser Owsley bald reich und berühmt, weil er die Hippies massenhaft mit ihrer Droge versorgen konnte. Für Charles Perry beginnt die Zeit der Flower Power 1965, und sie beginnt mit seinem Freund Owsley. Als Nayan ihn trifft, sprudelt es nur so aus ihm heraus.

"Er ist sehr vereinnahmend. Owsley ist so der Typ, der zu allem eine Meinung und Theorie hat. Der Schriftsteller Tom Wolfe hat ihn mal so beschrieben: ´Es ist, als ob du mit einem Fernsehapparat redest´. Ich denke, er meinte damit, daß Owsley sagt, was er denkt, ohne auf das einzugehen, was du ihm erzählst.

Diese Eigenschaft machte ihn zum LSD-Millionär. Viele Leute redeten in den sechziger Jahren viel davon, LSD herzustellen. Owsley verlor zwar auch viele Worte darüber - aber er machte es auch. Als die Drogenbehörde sein Labor beschlagnahmte, schaffte er es sogar, alles unversehrt und voll funktionsfähig zurückzubekommen. So war der drauf!

Ich war mal unterwegs in einem Wagen voller Hippies. Owsley ist gefahren wie der Henker und wir hatten haufenweise Stoff dabei. Es war klar, daß uns eine Polizeistreife anhielt. ´Kann ich Ihnen irgendwie helfen, officer ?´, fragte Owsley scheinheilig mit der Mine des unbescholtenen Bürgers - und - ob du´s glaubst oder nicht - wir sind ungeschoren davongekommen. Die Streife ließ uns einfach weiterfahren. Später mußte ich noch einmal an diese Szene denken, als ich den den Film STARWARS sah. Darin sagt Obi-Wan Kenobi irgendwann: ´These people can go!´ und der Polizist antwortet: ´Yes, these people can go!´ Was ich damit sagen will: Owsley konnte die Leute mit seinem ausgeprägten Selbstbewußtsein und seiner starken Persönlichkeit einfach überrumpeln, nach dem Motto: ´Du kannst mir gar nichts - Ich bin Owsley!´

Mit größter Selbstverständlichkeit bestellte Owsley später eine Substanz, mit der man LSD herstellen konnte. Und das gleich in gigantischen Mengen. Er gründete eine Scheinfirma, die „Bear Research Group“ und behauptete dreist, er benötige diese Mengen für seine umfangreichen Tierversuche. Nun war es aber so, daß das Land Kalifornien immer noch die Laborgeräte hatte, die die Polizei während der Durchsuchung beschlagnahmt hatte.

Owsley wollte sie wiederhaben. Es war schließlich seine Ausrüstung und er wollte sie selbstverständlich auch benutzen. Er verklagte selbstbewußt die kalifornische Behörde und - bekam sein Labor zurück! Unbeschädigt und voll funktionsfähig. Und nachdem er von den Behörden sein Arbeitsgerät zurückbekommen hatte, verschwand er, um ein paar Wochen mit seiner Freundin Melissa - einer Chemiestudentin mit warmen intellektuellen Augen - in Los Angeles zu verbringen. Als die beiden im April 1965 nach Berkeley zurückkehrten, hatten sie was sie wollten: LSD!.

Zu ihrer eigenen Überraschung war es wirklich LSD. Und es war sehr starkes LSD. Es war das stärkste LSD, das sie je hatten, verheerend starker Stoff. Bis zum Sommer '65 hatte er genug Grundstoff für eine Million LSD-Trips zusammen! Und sein LSD war wesentlich stärker als das anderer Hersteller. Ich war in dieser Zeit sein Versuchskaninchen für seine allererste LSD-Serie. Er jubelte mir das Zeug eines Morgens auf einer kleinen Vitaminpille unter. Ich schluckte sie völlig ahnungslos, und es war der helle Wahnsinn: Das war der stärkste Trip, den ich je hatte! ´Oh hey!´ - Diese ersten Trips waren einfach zu heavy! - ´Wir hätten vielleicht nur die Hälfte von dem Stoff nehmen sollen´, sagte er mit gewohnter Unschuldsmiene. Aber selbst als er später behauptete, die richtige Dosierung gefunden zu haben, war es immer noch ganz außergewöhnliches LSD. Eine halbe Stunde, nachdem ich die Pille geschluckt hatte, hielt ich mich für das Gemälde eines alten Ägypters.

Aus meinen Ellbogen und Knien flossen Hyroglyphen an der Wand runter, aber so schnell, daß ich sie nicht lesen konnte. Als ich ihm nach ein paar Tagen davon erzählte, sagte Owsley bloß lapidar: ´Ah, genau! - Du hattest was von der ersten Serie. Oh hey, die war einfach zu stark. Du hättest besser nur die halbe Dosis genommen!´

So ein Buchladen ist was Geiles. Und erstmal dieser hier in der Haight Street # 1512 Nayan Poeppelmann entdeckt immer mehr Literatur zum Thema LSD, findet Timothy Leary und was Wissenschaftliches über LSD und über einen gewissen Schweizer namens Hofman.

Leary beschreibt 1964 das Phänomen LSD so:

"The wish for instant paradise is as old as man himself. For ages, people have searched for artificial means to improve their condition, and drugs have played an important role in this quest. With its emphasis on consciousness, on internal, invisible, indescribable phenomena, with its multiplication of realities, the psychedelic experience is dreadfully incomprehensible to one committed to a rational, protestant, achievement-oriented, behaviorist, equilibrated, conformist philosophy."

Lysergic Acid Diethylamide, zu deutsch Lysergsaures Diethylamid, abgekürzt LSD ist feinste schweizer Qualitätsarbeit: 1938 synthetisiert Dr. Albert Hofmann in einem Labor der Chemiefirma Sandoz den Stoff, aus dem später die Träume der Hippies werden. Hofmann forscht mit dem Stoff, weil er einem Aufputschmittel chemisch sehr ähnlich ist. Es dauert aber noch weitere fünf Jahre, bis Hofmann diesen Vermerk in sein Notizbuch einträgt:

"Vergangenen Freitag, es war der 16. April 1943, mußte ich meine Arbeit im Labor nachmittags unterbrechen und nach hause gehen. Ich verspürte eine sonderbare Ruhelosigkeit, und mir war dabei leicht schwindelig. Zuhause angekommen, legte ich mich etwas hin und war wie angetrunken, was nicht unangenehm war.

Charakteristisch war meine extrem rege Phantasie. Ich ließ meine Augen geschlossen, weil mir das Tageslicht unangenehm hell vorkam und lag völlig verdutzt da, als ein ununterbrochener Strom plastischer, fantastischer Bilder von außergewöhnlicher Brillianz und Klarheit über mich hereinbrach. Die Bilderflut nahm ich außerdem in einem kaleidoskopähnlichen sehr intensiven Farbenspiel wahr. Dieser Zustand hielt ungefähr zwei Stunden an und ließ dann allmählich nach."

Hofmann sagt später, daß diese erste Empfindung sehr schwach gewesen sei und aus sehr geringen Bewußtseinsveränderungen bestanden habe. Er ist sich sicher, daß diese erste LSD-Erfahrung durch die zufällige Aufnahme des Stoffes durch seine Fingerspitzen ausgelöst worden ist. Am folgenden Montag Morgen bereitet Hofmann 0,25 Milligramm LSD vor, was er für eine sehr kleine Dosis hält und macht die folgende Eintragung in sein Notizbuch:

"19. April 1943, 16.20 Uhr: 0,25 Milligramm LSD oral zugeführt. Die wässerige Lösung ist geschmacklos. 16.50 Uhr: Keinerlei Spur irgendeiner Wirkung. 17.00 Uhr: Leichtes Schwindelgefühl, Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Sehstörungen, ein starkes Bedürfnis zu lachen..".

An dieser Stelle brechen die Aufzeichnungen Hofmanns ab. Erst am folgenden Morgen schreibt der Chemiker weiter:

"Die letzten Worte konnte ich gestern nur mit großer Mühe schreiben. Ich bat meine Laborassistentin, mich nach Hause zu begleiten, weil ich glaubte, daß mein Zustand derselbe wie am vergangenen Freitag sei. Noch als wir zu mir nach hause radelten merkte ich plötzlich, daß die Symptome wesentlich stärker waren als beim erstenmal. Ich hatte große Schwierigkeiten, zusammenhängend zu sprechen, mein Gesichtsfeld veränderte sich ständig und alles vor mir bewegte sich und Gegenstände erschienen verzerrt wie in einem gebogenen Spiegel.

Ich hatte das Gefühl, mich überhaupt nicht von der Stelle bewegen zu können. Meine Assistentin sagte mir aber später, daß wir gemeinsam ein gutes Tempo geradelt seien. Als der Arzt mich bei mir zuhause sah, war der Höhepunkt der Krise schon vorbei.

Soweit ich mich erinnern kann waren dies die herausragenden Symptome: Schwindel, Sehstörungen, die Gesichter der Menschen empfand ich als lächerliche bunte Fratzen; deutliche motorische Unruhe, ein Gefühl der Schwere in Kopf, Körper und Gliedern, als ob ich aus Metall wäre, Krämpfe in den Beinen, kalte Hände und taube Finger, ein metallischer Geschmack auf der Zunge; eine trockene und wie zusammengeschnürte Kehle, Erstickungsgefühle, abwechselnd Verwirrung und wieder klares Bewußtsein über meinen Zustand, in dem ich mich dann auch selbst immer wieder wie ein unabhängiger, neutraler Beobachter, verrückte und alberne Dinge schreien oder unzusammenhängendes Zeug stammeln hörte.

Manchmal schien es mir auch so als hätte ich meinen Körper verlassen und würde im wahrsten Sinne des Wortes physisch neben mir stehen. Immer wenn ich meine Augen schloß, wallte eine nicht enden wollende Woge von realistischen und fantastischen, farbenprächtigen Bildern in mir auf. Bemerkenswert war außerdem, daß alle akustischen Wahrnehmungen (zum Beispiel das Geräusch eines vorbeifahrenden Autos) in optische Signale umgewandelt wurden! Jedes Geräusch löste eine entsprechende Farb-Halluzination aus, die sich dann ständig weiter in Form und Farbe veränderte.

Der Arzt stellte einen schwachen Puls aber einen ansonsten stabilen Kreislauf fest. Gegen sechs Uhr bin ich eingeschlafen und am nächsten Morgen irgendwie erschöpft aber ansonsten fit aufgewacht. Ich fühlte mich gut."

*
"Earth stream and tree encircled by sea

waves sweep the sand from my island.

My sunsets fade.

Grain after grain love erodes my

high weathered walls

which fend off the tide

cradle the wind

to my island.

Violet skies

touch my island, touch me."

(aus: „Islands", King Crimson)

Matt und satt liegt Brad Kürün in der feuchtwarmen Mittagshitze im Schatten seines dunkelroten Sonnenschirmchens auf der geräumigen Veranda der Suite mit der Nummer 246 im Dusit Laguna Resort auf Phuket und blickt hinaus auf den Indischen Ozean. Brad lutscht die Praline, die ihm das thailändische Zimmermädchen gestern Nacht auf's Kopfkissen gelegt hat, laesst sie langsam auf der Zunge zergehen und geniesst den cremigen Nougatgeschmack. Brad liebt Pralinen. Und er liebt es zu träumen. Brad ist ein Träumer wie er im Buche steht.

In dieser Schokoladenminute träumt er, wie er vor knapp zwei Jahren an der Grenze zu Burma hartnäckig und erfolgreich um den kleinen dunkelroten Sonnenschirm gefeilscht hat. Stolz wie Oskar hat er ihn schliesslich von der alten, runzeligen burmesischen Frau auf dem Markt eines Flüchtlingslagers erstanden. Seitdem führ er stets zwei Schirme mit sich, wenn er reiste: den dunkelroten als Sonnenschirm und einen hellgrünen, der dicht nebeneinanderliegende Bananenblätter abbildete, gegen den Regen.

So sitzt Brad Kürün jetzt da doppelt beschirmt neben der Schale mit Früchten, die der Etagenbutler gerade serviert hat und blickt hinaus auf's Meer ohne von dem Obst weiter Notiz zu nehmen. Wie gesagt, er träumt. Er träumt von den lachenden Bäuerinnen und den schnatternden Enten auf den Reisfeldern Indonesiens, von seinen ausgedehnten, einsamen bushwalks in Australien, von dem fetten Wildschwein, das er in Malaysia erlegt und als Geburtstagsessen für Maria aus Freiburg zubereitet hat und von dem Batikvorhang, den Walter aus Dortmund ihm einmal in den Teebergen Sri Lankas geschenkt hat und von dem es auf der Welt nur zwei Exemplare gibt (den anderen hat irgendsoein indonesischer Tourismus-Minister). Er träumt von den mühsamen Treks mit backpack und Patricia aus San Francisco an der wilden, windigen und nassen Westküste der Südinsel Neuseelands und den heaps of sandflies, die ihnen erbarmungslos die Beine zerstochen haben. Er träumt von dem abenteuerlichen Elefantenritt mit Jody aus Brisbane im unwegsamen Dschungel Nordthailands und den Mountainbiketouren im Kathmandutal mit Canada-Cary, von den durchtanzten Marihuananächten im Reggae-Pub auf Koh Samui mit Beata aus Polen, die aber ansonsten fuer Cisco-Computer in Belfast im Call-Center sitzt.

Und er träumt von Ellen.

Ach, was gäbe er jetzt um eine zweite Praline. Brad würde sich wohl bis heute Abend gedulden müssen. Oder ob man vielleicht den Butler danach fragen kann? Mit leichtem Schwung erhebt er sich aus dem Liegestuhl und stubst das Teakholztischchen mit dem Obst zur Seite. Langsam laesst er sich nun bäuchlings auf den Teppich nieder (mäßige Qualität, höchstens 60 Knoten je Quadratzentimeter, simples Design, wahrscheinlich Kinderarbeit aus Indien, mustert er die Webware mit Kennerblick). Was für ein Tag ist heute? Der 20.? Oder schon der 21.? Er tippt mit dem linken kleinen Finger auf die on-Taste seines (wie heisst das Ding nochmal?), und auf dem Display erscheint die Ortszeit 12.14 Uhr Phuket, Thailand. Er drückt langsam die Arme durch zum ersten von 21 Liegestützen. Morgen würde er - direkt nach der Sauna - im Gymnastikraum des Hotels etwas für seine Bauchmuskulatur tun. Mit seinem Bauch hat Brad echte Probleme. Noch keine 25 und schon 'nen Ansatz! - Da muss er einfach etwas gegen unternehmen...9... 10...11 ..., immer wenn er die Arme ganz durchdrueckt, kann er durch einen schmalen Schlitz auf's Meer blicken...16... 17...18..., noch drei! Er hat sich vorgenommen, diese Art von Muskeltraining einmal täglich durchzuführen...20...21! Geschafft! - Die Tatsache, dass er bis zum Ende des Monats jeden Tag einen Liegestütz mehr machen müssen würde, laesst ihn einen Moment an der Richtigkeit seines Entschlusses zweifeln, die Aussicht auf den nächsten Ersten und auf einen kräftigen body versöhnt ihn jedoch schnell wieder mit diesem Vorsatz.

Nach getaner Arbeit setzt er sich auf die Balkonbrüstung und schaut auf's Meer. Alles ist wieder ruhig. Keine Kriegsschiffe, keine Helikopter der thailändischen Marine und keine Koffer im Sand. Gestern Nachmittag hat er von dieser Stelle mit dem Fernglas beobachtet, wie etwa 50 Touristen mit Schlauchbooten und einem Schnellboot der thailändischen Kriegsmarine vom Strand aus evakuiert wurden. Er hatte sich sogar die weisse Nummer am Bug notiert - es war die Nummer 629 - und nahm anfangs an, es handelte sich wohl um eines der hier in dieser Gegend regelmässig aufkreuzenden Schiffe der US-marines, die hier zwecks rest & recreation einen kurzen stopover einzulegen pflegten.

Es hatte sich dabei um diejenigen Hotelgäste dreier nebeneinanderliegender Luxushotels gehandelt, die nicht länger Gefangne im Ferienparadies sein wollten. Sei es, weil sie ihre Flieger nach Frankfurt, Hongkong, New York oder Tokio erreichen wollten oder einfach keinen Bock mehr auf Knast hatten - Nougatpraline hin oder her. Und auch Brads komfortable Suite war durch den Akt der einheimischen Dorfbevölkerung zur Zelle geworden, das Resort zum Gefängnis!

Brad Kürün hatte all’ dieses mit grosser Gelassenheit und entspannt im hier& jetzt ertragen. Brad Kürün hatte seit langem wieder einmal dieses angenehme und sichere Gefühl, Zeit zu haben. Und Brad Kürün hegte bei all’ diesem Stress am Strand keinerlei Fluchtgedanken. - Ach ja, die Praline. Er zögert einen Moment, gibt sich dann aber einen Ruck und greift zum Hörer. Zwei Minuten später klingelt der Butler an der Tür seiner Suite.

Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass die Ausstattung seiner Zelle mit der Nummer 246 nichts zu wünschen übrig laesst: Bar, Sitzgruppe, zwei TV-Sets, Audio-Tower mit CD Player, Videogerät mit bereitliegenden Filmen, unter anderen Casablanca in der englischen Originalversion, Mahagonischreibtisch mit Briefpapier, in dem oben links in goldenen Lettern Brad Kürün eingraviert ist. Im zweiten Raum, dem Schlafzimmer, steht ein Canape am Fenster mit Meerblick. Im Zentrum ein riesiges Doppelbett mit himmelblauem Baldachin. Daneben an der linken Wand ohne Fenster eine Sitzgruppe. Dann das Bad - Ein Traum in weissem Marmor... Genug!

Abgesehen davon, dass einige Läden im einsam gelegenen Resort-Hotel während der letzten 48 Stunden geschlossen blieben und Brad übersät ist mit Moskitostichen, scheint die Versorgungslage gut zu sein.

Was ist geschehen ?

Die Nabelschnur der erwähnten drei Hotels ist eine schmale Strasse durch Lagune und Sümpfe. Diese Lebensader halten vielleicht eintausend Thais aus den umliegenden Dörfern seit eben diesen 48 Stunen rund um die Uhr blockiert. Quer über die Strasse gelegte Bäume und Palmen, kleine Felsen und hunderte von motorbikes bilden seitdem einen undurchdringlichen Wall. Niemand, der zu den Hotelanlagen will, darf passieren und wer die Resorts einmal verlassen hat, kann nicht wieder hinein.

Diese für die 500 Insassen äusserst wichtigen Informationen erhaelt er auf der wöchentlich stattfindenden Cocktailparty des Hotelmanagements für VIP's und geladene Langzeit-Gäste. Aurelio Ciocetti, Executive Assistant Manager, fragt sich nach zwei schnellen Glaesern Bier mehr oder weniger laut, warum die Polizei tatenlos zusehe ("Wenn die Leute ihr Land verkaufen, sind sie's doch selbst in Schuld. Verkauft ist schliesslich verkauft!") und ein nicht gerade zimperlich dreinblickender Hotelgast, der ein Glas Champagner fest umklammert haelt, fordert mit schweizer Akzent und unverhohlen: "Die Zufahrt muss freigeschossen werden !" - Stammtischlaune.

Am folgenden Morgen unternimmt er einen kleinen Spaziergang zur Blockade.

Hinter dem Wall aus Stein, Holz und Mopeds erhebt sich ein grosses, rotes Zelt, in dem heisse Suppe und kühle Getränke gereicht werden. Brad schätzt die Menge auf etwa 300. Einige halten Spruchbänder in thailändischer Sprache hoch. Die Protestversammlung hat unübersehbaren Volksfestcharakter. Es wird lächelnd miteinander diskutiert und gestritten, am Rand stehen lächelnd ein paar Polizisten unter einer Palme. Klar: Thailand, Land des Lächelns, Phuket, Perle des Südens. Die Polizisten tragen Walkie Talkies und Waffen, haben aber offensichtlich strikte Anweisung nach den blutigen Erfahrungen der Mai-Unruhen, die zum Sturz der thailändischen Regierung führten, keinen Gebrauch davon zu machen.

Einer der Demonstranten winkt ihm zu und gestikuliert ihm, doch herüberzuklettern. So eine freundliche Einladung kann man doch nicht ausschlagen. Der Demonstrant erzählt ihm aufgeregt in gebrochenem englisch, dass ein Vertreter des Singapurer Geschäftsmannes Ho Chin Wah anwesend sei. Ihm sollen die Grundstücke gehören, um die es geht. Und für das Wochenende habe sich sogar der Ministerpräsident des Landes, Chuan Leek Pai, im Dorf angesagt. Das seien die neuen Zeichen der jungen Demokratie im Lande, heisst es. Das Volk könne jetzt mitreden, hört er als er sich scheu und still unter es mischt. Das Volk scherzt und lacht, es wird gespeist und getrunken. - Sommerfestlaune.

Als er im Zentrum einer Menschentraube anlangt, drückt ihm eine Thailänderin einen Zeitungsausschnitt in die Hand. Es handelt sich um einen ganzseitigen Artikel einer grossen, überregionalen Tageszeitung. Er überfliegt die Seite: The Nation vom 30. November 1992, halbseitiges Farbfoto eines weissen Traumstrandes, Schlagzeile: "Phuket - Holiday Paradise where locals are banned". Im unteren Drittel fällt ihm ein Emblem mit sechs erhobenen Händen ins Auge, unter denen steht: "More Power To The People!" Die Thailänderin fragt ihn, in welcher der Hotelanlagen er denn wohne. Er antwortet wahrheitsgetreu „Im Dusit Laguna“, worauf sie ihn in Preeda's Kitchen einlädt. Preeda´s Kitchen sei ihre offene Strandküche direkt zwischen zwei Resorts. Ihre grosse Sorge sei, dass sie ihre Thai-Küche schliessen muss, weil, wie sie sagt, den Hotelbetreibern ihre preiswerte Konkurrenz ein Dorn im Auge sei. Deswegen protestiere sie hier für ihr Recht auf Kochen.

Neben ihr hockt ein vielleicht vierzigjähriger Mann. Er sei Taxifahrer, sagt er und ihn ärgere, dass viele Wege für ihn gesperrt seien und nur von hoteleigenen Fahrzeugen benutzt werden dürfen. Dagegen protestiere er hier mit der Strassenblockade.

High noon. Essenszeit. Er sitzt in Preeda's Kitchen unter einem Sonnenschirm und studiert den Zeitungsartikel. Der Autor, Rakkit Rattachumpoth, beschreibt darin den wachsenden Unmut der Inselbevölkerung, viele ihrer Strände nicht mehr betreten zu dürfen. Jeder Tourist habe jederzeit freien Zugang zu jedem Strand in Thailand, den einheimischen Thais werde dieser Weg aber immer häufiger von den Sicherheitskräften der Hotels verwehrt.

Sucho Phongsanon, ein 38 Jahre alter Dorflehrer, wird zitiert: "Als ich jung war, sind unsere Lehrer mit uns hinausgezogen,um dort zu campen und zu übernachten. Es war immer ein grossartiges Erlebnis." Weiter erzählt er, dass er heute seine Schülerinnen und Schüler nicht mehr an diese Strände seiner Jugend bringen kann, weil an ihnen grosse, internationale Hotelketten ihre Häuser errichtet hätten.

Ruedee Phumphuthavorn., 42jährige Geschichtslehrerin an der hiesigen Satri Phuket School, klagt nicht ohne Sarkasmus: "Ich befürchte, dass meine Schülerinnen und Schüler in naher Zukunft darauf angewiesen sind, dass ich ihnen erzähle, wie unsere Strände aussehen und das Meer. Und das alles, weil eine handvoll Hotelbesitzer unsere Strände zu ihren Privatstränden gemacht haben."

Phukets internationales Tourismusgeschäft startete im Jahr 1972, als das erste Luxushotel, das Phuket Island, errichtet wurde. Die touristische Blüte der Insel begann aber erst 1987 mit einem vorher nie erlebten Zustrom ausländischen Kapitals. Die Statistiken wiesen einen rasanten boom nach dem anderen aus. Anfang der neunziger Jahre reisten jedes Jahr mehr als 1,3 Millionen Touristen in das südthailändische Urlaubsparadies und liessen pro Jahr mehr als 500 Millionen Dollar auf der Insel zurück. Ein Ergebnis des Thai And International People's Forum On Third World Tourism Ende November 1992 auf Phuket war jedoch: nur ein verschwindend kleiner Teil dieses Geldes landet in den Geldbeuteln der einheimischen Bevölkerung. Das grosse Geld wandert jedes Jahr in die Geldsäcke nach Singapur, Hongkong und Tokio.

Sein Thai Essen in Preeda's Kitchen ist vorzüglich: Tom Yam Khung, eine herzhafte, erfrischend scharfe Suppe, bestehend aus Pilzen, Tomaten, Schalotten, Zitronengras, Bergamottblättern, Chili, Limonensaft, Fischsauce, Korianderblättern sowie Petersilie und grossen Garnelen als Einlage. Dazu duftig leicht gebratener Jasminreis mit winzigen Hähnchenstückchen, gewürzt mit Strandluft, Sonne und Meersalz und ein kühles Singha Bier. Mit drei US-Dollar ist Brad dabei. Im Hotel-Resort nebenan hätte er ein ähnliches Vergnügen für mindestens 20 Dollar gehabt, falls der Vergleich erlaubt ist. Allein das Bierchen kostet im Hotel vier Dollar.

Mit der Rechnung legt Preeda auch ihr Gästebuch vor. Die letzte Eintragung stammt vom 8. Dezember: "Die Regierung sollte für ihr Volk sorgen und es nicht von den Stränden vertreiben, um Platz für die Reichen zu schaffen. Denkt zuallererst an die einheimische Bevölkerung !" Unterschrieben ist dieser Appell von einem Paul Alexion aus Sydney. Ein anderer Tourist schrieb tags zuvor: "Preeda's Kitchen soll genau da bleiben, wo sie jetzt ist. Wir schätzen es sehr, eine Auswahl zu haben und nicht nur von der Monopolstellung der grossen Hotels abhängig zu sein."

Preeda, Anfang 30, verheiratet und Mutter von zwei Söhnen im Alter von acht und elf Jahren, hat bis vor fünf Jahren als Bauhelferin gearbeitet. Dafür bekam sie 80 Baht, umgerechnet etwas mehr als drei Dollar Tageslohn. Mit dem, was ihr Mann dazuverdiente, konnte die Familie gut leben. Mit dem Touristenboom auf der Insel entschloss sie sich, selbständig zu werden und eröffnete Preeda's Kitchen dort, wo die Strandküche auch heute noch ist. Anfangs nur mit zwei Tischchen, einigen Palmzweigen und Bananenblättern als Dach, im Dezember 1992, kurz vor ihrer fünften Touristensaison zwischen Weihnachten und März, wartet sie schon mit zehn Tischen und einem reichhaltigen Angebot an Thai-Food auf. So verdient Preeda 200 Baht am Tag. An guten Tagen sind es sogar 400 bis 500 Baht, also etwas mehr als 20 US Dollar .

"Es gibt keine Pläne, die Strandküchen zu entfernen, und wir haben auch niemals der einheimischen Bevölkerung untersagt, den Strand vor dem Hotel zu benutzen, und wir werden das auch in Zukunft nicht tun", versichert der Geschäftsführer des Dusit Laguna Hotel Resorts, David Good, als Brad ihn auf die Blockade der Zufahrt anspricht. Sein Kollege von Sheraton Grande Laguna, Michele Cottray, verkündet ihm während eines Strandspaziergangs während der Blockade: "Der Eigentümer wird auf die Forderungen der Dorfbevölkerung eingehen. Strassen und Strände sind für alle da".

Satt, faul und träge sitzt er auf dem Balkon in der schwülwarmen Nacht. Von Preeda's Kitchen zurück ins Kittchen. Zelle 246. Vom Ende der Blockade keine Spur. Er hat jetzt viel Zeit über alles nachzudenken Der Eagles-Song vom Hotel California kommt ihm in den Sinn, „where you always can check in - but you never leave.". Vom Balkon der Nachbarzelle 248 blickt Kathleen M. Burns von der Washington Post versonnen auf's Meer.

Auch sie scheint zu träumen.